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Kuratorin der Elles x Paris Photo Ausstellung auf der 27. Ausgabe der Paris Photo, Direktorin des Centre Photographique Rouen Normandie und ehemalige künstlerische Leiterin des Festival de Hyères.
Welche Absichten hatten Sie bei der Kuratierung dieser Auswahl?
Mein Ziel war es, die künstlerische Schaffenskraft von Frauen von Stereotypen zu befreien, über das Selbst- porträt, den Aktivismus oder Kommentare zur Darstellung von Frauen hinauszugehen. In dieser Auswahl gibt es natürlichviele Künstlerinnen unter 40, etwa ein Drittel, aber die meisten von ihnen sind Künstlerin- nen des 20. Jahrhunderts.
Für dieses Portfolio haben wir uns entschieden, uns auf den Körper und seine Darstellung zu konzentrieren. Wie fühlten Sie sich angesichts dieses engeren Themas?
Was ich interessant finde, ist, dass es so viele verschiedene visuelle Codes und Sprachen gibt, die gezeigt wer- den. Soviele, dass es zeigt, wie sehr es für diese Künstlerinnen darum ging, wirklich ein Kunstwerk zu schaf- fen. Die Frage nach der Ästhetik ist dabei keineswegs zweitrangig, im Gegenteil. Das künstlerische Schaffen von Frauen nimmt ebenso viele und vielfältige Formen an wie das der Männer.
Gibt es etwas grundsätzlich anderes am weiblichen fotografischen Blick?
Frauen waren zweifellos stärker sensibilisiert für die Tatsache, dass Fotografie, besonders in den Medien, als Vehikel für extrem objektifizierende Darstellungen genutzt wurde, was sie natürlich mehr betraf als männ- liche Künstler. ZumBeispiel sehe ich, dass Sie Lois Conner und ihr Werk ausgewählt haben, das die Darstel- lung von Mutterschaft hinterfragt, mit diesen wunderschönen alltäglichen Madonnen. Hier ist eine Künst- lerin, die durch genau dasselbe Medium alternative Bildwelten bietet. Aus diesem Grund ist die historische Perspektive so notwendig. Heute wird der Körper noch immer erforscht, aber aus anderen Gründen. Wir haben uns von den großen feministischen Kämpfen gegen die kommerziellen Bilder der Hausfrau oder die Kommerzialisierung der weiblichen Körper entfernt. Unddennoch scheinen aktuelle Ereignisse uns zurück- zuwerfen. Viele Künstler*innen diskutieren immer noch den Körper als politischen Raum. Beispielsweise die Darstellung von Geschlecht und Fluidität, die heute sehr aktuell ist, wurde bereits in der Vergangenheit erforscht, aber vielleicht auf weniger explizite Weise.
In einigen dieser Bilder liegt etwas fast Aggressives, Radikales …
Natürlich! Schauen Sie sich Alina Frieske an, die vollständig manipulierte fotografische Bilder produziert, oder Lucile Boiron, deren Arbeit rein fotografisch und völlig unverändert ist. In beiden Arbeiten findet eine Untersuchung des Fleisches statt, obwohl ihre Herangehensweisen an die Technik an entgegengesetzten Enden des Spektrums liegen. Fürmich sind Bilder weder in die eine noch die andere Richtung voreingenom- men. Im Gegenteil, beide haben eine gewisse Rohheit. Lucie Boiron, mit diesem riesigen Baby, hat ein Foto gemacht, das tief ins Fleisch eindringt. Es gibt etwasextrem Organisches, fast Essenzielles. Es ist eine extreme Nahaufnahme, eine übermäßig fragmentarische Ansicht, die den Eindruck erweckt, als würde das Leben aus dem Rahmen platzen.
Erzählen Sie uns von dem fragmentierten Körper in der Fotografie. Was bedeutet er?
Das Fragment kann viele Bedeutungen haben. Alina Frieske schneidet direkt durch Körper. Da sie teilweise Bilder verwendet, die sie online findet, drückt ihre Arbeit unsere fragmentierten Identitäten in der digitalen Welt aus. Diese Bilder von uns zirkulieren, wir wissen nicht, wo sie hindurchgehen oder wo sie enden wer- den; und so werden unsereKörper durch diese Bilder selbst fragmentiert, unsere Identitäten kompromittiert. Für Lore Stessel ist der kreative Impuls anders. Was sie interessiert, ist, dass das Fragment Bewegung und Performance ausdrückt. Natürlich ist es eine ArtGewalt gegenüber dem Bild, Körperteile abzutrennen. Aber dieser Rahmen zeigt einen wunderschönen Strauß von Händen: Es ist leicht, darin ein Bild von Schwestern- schaft, von Gemeinschaft zu sehen.
Denken Sie, dass sich die Dinge in Bezug auf die Geschlechtergleichheit in der Kunstwelt verbessern?
In diesem Land und vielen anderen gibt es viel mehr weibliche als männliche Kunststudenten. Aber wir dür- fen nichtvergessen, in die Vergangenheit zu schauen. Wird die Kunstgeschichte, wie sie derzeit gelehrt wird, wirklich gerecht dargestellt? Natürlich müssen junge Künstlerinnen gefördert und unterstützt werden, aber sie müssen auch sehen, dass die Kunstfotografie eine Geschichte hat, und dass sie nicht nur das Reich der Männer ist. Aber um Frauen ihren gebührenden Platz in diesem Raum zu geben, sollte die Neubewertung ihrer Rolle in dieser Geschichte nicht auf der Grundlage einer übermäßigen Vereinfachung geschehen. For- schung zuFotografinnen wird oft auf militante Fotografinnen oder Selbstporträtistinnen beschränkt, weshalb ich mich auf visuelle Forschung und Experimentation konzentrieren wollte.
Schauen Sie sich Imai Hisae an, ihre Arbeit ist wirklich bemerkenswert. Sie machte dieses Bild in den 1960er Jahren –es sieht aus wie die Art von Arbeit, die Smith letztes Jahr gemacht hat. Dieses Werk zu zeigen, plat- ziert diese Schöpfung in einen breiteren visuellen historischen Kontext.
Das letzte Jahrhundert zu betrachten, zu fragen, was wir nicht gesehen haben und warum… Das verkompli- ziert die Landschaft wieder und vervielfacht die Perspektiven. Es gibt so viel zu tun, es ist aufregend!